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Preiswerter Journalismus

Thilo Schneider • 3. August 2020

...wenn der Darm dem Schließmuskel einen Preis gibt

Bild von Keith Johnston auf Pixabay
Alljährlich feiert sich die schreibende, rundfunkende und filmende Medienzunft selbst und klopft sich gegenseitig auf die Schultern. Ungefähr so, wie sich bei der Stimmabgabe des Eurovision-Song-Contests die ehemaligen Bruderstaaten des Ostblocks und die jugoslawischen Teilrepubliken gegenseitig ihrer Wertschätzung versichern und sich immer am Besten und Zweitbesten finden. 

Da gibt es tolle Preise! Beispielsweise wurde Anja Reschke, Leiterin des Ressorts Innenpolitik beim NDR, 2018 mit dem „Hanns-Joachim-Friedrichs“-Preis für „Fernsehjournalisten, die Herausragendes geleistet haben“ ausgezeichnet. Weil sie, laut Jury „Haltung zeige, ohne Arroganz, Toleranz ohne Beliebigkeit und Stehvermögen ohne Sturheit“. Beobachtet man die Panorama-Affäre um den Bundeswehroberstleutnant Bohnert, der das Verbrechen beging, zwei banale Bilder auf Instagram mit zwei banalen Herzchen zu versehen, möchte man der Laudatio noch „Anklage ohne Belege, Existenzvernichtung ohne Gnade“ und „Gemeinheit, gepaart mit Kritikunfähigkeit“ hinzufügen.  

Außerdem hat Anja Reschke 2019 den „Siebenpfeiffer-Preis“ als, so die Jury, „Kämpferin gegen die moderne Form der Zensur: die Bedrohung der Pressefreiheit durch die „Hater“ und Trolle im Netz“ erhalten. Auf Deutsch: Für ihre Kritikunfähigkeit. Außerdem „zeigt Anja Reschke seit Jahren durch ihre journalistische Arbeit Rückgrat. Ihre Haltung beinhaltet Mut und Stärke. Anja Reschkes Engagement geht sogar noch weiter: Sie nimmt sogar körperliche Versehrtheit in Kauf, um ihre Meinung frei äußern zu können. Siebenpfeiffers Bekenntnis lebt sie, erinnert an etwas, was viel zu viele von uns vergessen haben: für etwas stehen, zu etwas stehen und überhaupt eine Meinung haben“. Nicht nur „überhaupt eine Meinung haben“, sondern „die einzig richtige Meinung haben“, möchte ich hinzufügen. Vorsitzender dieser lobhudelnden Jury ist Thomas Kleist, der bis 2018 stellvertretender Vorsitzender der SPD-nahen „Stiftung Demokratie Saarland“ war, in der gerne auch einmal taz-Schreiber Vorträge halten. Noch Fragen, Kienzle?    

Oder Georg Restle, Leiter und Moderator der ARD-Sendung „Monitor“: Er ist jetzt stolzer Preisträger des Grimme-Preises, weil er für einen „werteorientierten Journalismus“ eintritt - den Journalismus seiner eigenen Werte. Begründet wird die Preisverleihung wie folgt: „Die Redaktion von „Monitor“ („im Kampf gegen eine undemokratische Minderheit, die sich in der Mehrheit fühlt“) liefert diese relevanten Nachrichten, Analysen und Hintergrundberichte, ohne sich die Sprache der Beobachteten anzueignen, ohne tendenziöse Begrifflichkeiten, ohne Hass, Spott, Manipulationen oder üble Nachrede, und selbstverständlich ohne Lügen. Sie steht damit für einen vorbildlichen medialen Umgang mit einem Thema, dessen Berichterstattung von Anschuldigungen, Streit und dem Einsatz von Fake News geprägt ist.“ Und weiter: „Denn die Frage, ob die AfD eine demokratische Partei ist, ob ihre Vordenker*innen und Sympathisant*innen eine gerechte, offene Gesellschaft für jede*n wollen, ist längst beantwortet worden und lässt in einer Demokratie mit einer notwendigen, lang erkämpften Pressefreiheit keine andere Haltung zu: Wehret den Anfängen. Damit es dafür nicht zu spät wird.“ Jetzt hören Sie endlich auf, zu lachen. Ich kann so nicht arbeiten. Steht so in der Laudatio. Habe ich mir nicht ausgedacht. Obwohl das auch von mir hätte sein können. Allerdings als Beispiel für Ironie.

Den Henry-Nannen-Preis 2020 für das beste Web-Projekt erhält „Rezo“, Sie wissen schon, für „die Zerstörung der CDU“. Die Begründung: „Rezos YouTube-Video über die Widersprüche der herrschenden Politik war das herausragende Online-Ereignis des Jahres. Auf spektakuläre Weise knackte er die Wagenburg der politischen Kommunikation und ließ hunderttausende seiner Follower*innen hinein ins Zentrum der Macht. Denn mit verblüffend einfachen, aber professionellen Mitteln provozierte Rezo hilflose Reaktionen des überraschten Politikapparats, die das Video erst so richtig zum nationalen Ereignis machten.“ Ob er den Preis auch für „die Zerstörung der Linke“ bekommen hätte? Oder wäre er da Titelthema von „Monitor“ und „Panorama“ geworden? Weil so von wegen rechtspopulistisch bis rechtsradikal und so? 

Es gibt noch jede Menge andere hübsche Journalisten- und Medienpreise, mit denen sich die in den Medien herrschende, linke Nomenklatura gegenseitig überschüttet und bestätigt, weil sie doch alle so tapfer – ja, nennen wir es nicht „einseitig“ – „wahrheitskonform“ berichten. Alleine Claas Relotius, einst gefeierter Märchenerzähler beim Rohrkrepierer der Demokratie, dem Spiegel, hat sage und schreibe gleich vier Mal den Deutschen Reporterpreis abgeräumt, da einer seiner so theoretisch schon auch vielleicht hätte stattgefunden haben könnenden Artikel „von beispielloser Leichtigkeit, Dichte und Relevanz“ war und „nie offenlässt, auf welchen Quellen er basiert“. Ja genau. Das sind die Leute, die sich über die bösen Worte „Lügenpresse“ und „Lückenpresse“ ganz furchtbar echauffieren und wogegen sie sich zornig und mit all ihnen zur Verfügung stehenden Preise und Druckerpressungen er- und verbittert wehren. 

Ich rege daher die Schaffung des „Claas-Relotius-Preises“ an, für den ich mich auch selbst in die Jury setzen würde. Er könnte (Dank an meine treuen Twitter-Verfolger) die Form eines verhungernden Eisbären haben und jährlich im Paulaner-Garten verliehen werden. Dotieren würde ich den Preis mit einem Gutschein für vier Personen in einem Märchenpark. Oder der Gedenkstätte Hohenschönhausen.  

Voraussetzung wären die beispielhaftesten Reportagen des Haltungsjournalismus, die auf Fehl- oder Halbinformationen und/oder schlicht erlogenen, manipulierten, absichtlich falsch interpretierten und gehässig verbogenen Pseudo-Wahrheiten oder zu auf Staatsbedrohungsgröße hochgejazzten Nichtigkeiten basieren.

Das einzige Problem dabei: Es gäbe derzeit so viele Block- und Anwärter auf diesen zu Recht unbeliebten Kopfpreis, dass ich ihn täglich verleihen müsste. Die ZEIT habe ich gar nicht. Ich muss schließlich arbeiten, um meine „Demokratieabgabe“ leisten zu können. Intern ausgeschnapste Medien-Preise sind schließlich auch immer mit hübschen Sümmchen dotiert.

von Thilo Schneider 12. Januar 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15. Juli 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25. Juni 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
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Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
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