Wir hatten eine hübsche kleine Summe an „Hochzeitsgeld“ bekommen und so überlegten meine Ex-Freundin und ich, was wir uns Hübsches dafür leisten könnten. Was schwierig ist, wenn man so ziemlich alles hat, was man eigentlich auch nicht braucht. Und wie das in Diskussionen so üblich ist, meinte die beste Ex-Freundin, wir könnten uns doch für einen Monat eine Putzfrau einstellen, was ich aber nicht so gut fand, denn immerhin sind wir jetzt verheiratet, da gebe ich doch kein Geld für eine Putzfrau aus. Allerdings lehnte auch Sie meine kompromissfähige Idee einer Nacktputze rundheraus ab, es sei denn, die Nacktputze sei entweder männlich und unter 30 Jahre alt oder weiblich und weit jenseits der 60 Lenze. Nun, in einer guten Ehe muss man einen Konsens finden: Wir einigten uns deshalb auf einen Saugroboter.
Wir sind also brav in den Elektronikmarkt gefahren und haben uns dort beraten lassen (ich hatte eine Roboterstimme simuliert und „Wir! Suchen! Einen! Saugroboter!“ gesagt, weil ich das irre witzig fand, was der Verkäufer mit einem Gähnen quittierte) und haben da unseren Roboter gefunden: Schwarz. Glänzend. Chic. Stylish. Aggressiv. Gummibürsten. Staubsichtfenster. Kameras. Fühler. Sensoren. App-Steuerung. Kurz: Ein echtes Höllenteil! Quasi der Dacia-Duster unter den Saugrobotern. Diese Art Roboter untersucht den Mars nach extraterrestrischem Leben. Und zerstört es sofort und erbarmungslos, wenn sie es gefunden hat.
Zu Hause packten wir das Teil dann aus, bewunderten und streichelten es und tauften es zu Ehren eines unserer Trauzeugen auf den Namen Klaus. Wir richteten Klaus ein Eckchen in unserem Wohnzimmer ein, wo er es gemütlich hat und in Ruhe aufladen kann und von wo er einen guten Blick auf den Fernseher hat und in der Nähe des WLAN-Routers steht. Meine Frau witzelte noch, ob sie ihm auch ein Schälchen Milch hinstellen solle, aber man kann es auch übertreiben, fand ich. Sie hat sich dann die Steuerungssoftware aufs Handy gezogen und wir sind ins Bett gegangen und sie hat Klaus quasi vom Schlafzimmer aus auf seine reinigende Reise durch unsere Wohnwelt geschickt.
Ich bin mit Elektrogeräten aufgewachsen. Meine früheste Erinnerung als Kind an mein quasi erstes Elektronikgerät ist die Wäscheschleuder meiner Großmutter. Man füllte oben nasse Wäsche ein, klappte den Deckel zu und dann wackelte und strampelte und schaffte das Ding, bis irgendwann unten Wasser heraus- und in einen Eimer floss. Ich habe als Dreijähriger viele kurzweilige Minuten auf dem Deckel des Todesschleuderers verbracht, der unter mir schnaufte und bockte wie ein wilder Hengst, bis mich meine Großmutter immer wieder herunterscheuchte. Wahrscheinlich hatte sie Angst, ich falle durch den Deckel und werde zu Tode geschleudert, bis das Blut in den Eimer fließt. Später habe ich meine Eltern in die Wunder der Videorecorderprogrammierung eingewiesen, damit mein Vater Fußballspiele, deren Ergebnis bereits bekannt war, abends noch einmal in voller sinnloser Länge sehen konnte. Anscheinend hatte er die Hoffnung, er würde ein Tor sehen, das allen anderen entgangen war. Ein wirklicher Optimist war er, mein Vater. Ich hatte eines der ersten Funktelefone, den ersten Gameboy und heute habe ich einen voll verkabelten und verstrahlten Haushalt, in dem ich mit meinem Handy sogar die verdammte Heizung regulieren kann. Ich hatte und habe also keine Angst vor Elektrogeräten.
Bis heute.
Klaus ist extrem leise. Unsicher, ob er gestartet ist, gehe ich ins Wohnzimmer. Es ist dunkel. Nur Klaus ist unterwegs, summt leise vor sich hin und blinkt und tut das, was er auch tun soll. Er saugt. Als ich das Wohnzimmer betrete, verschwindet er gerade unter der Couch. Funktioniert. Ich gehe wieder ins Bett zurück.
Nennt mich paranoid. Aber der Gedanke, einzuschlafen, während Klaus das Wohnzimmer saugt, gefällt mir nicht. Da bewegt sich ja was in der Wohnung. Klaus auf seiner einsamen Reise durch die Nacht. Staub suchend. Saugend. Schnüffelnd. Meine Haare und die meiner Familie in seinen gierigen Schlund schaufelnd. Meine Brotkrümel schluckend. Ich soll schlafen, während mein elektronischer Sklave die Arbeit tut. Dafür habe ich ihn schließlich auf dem Haushaltssklavenmarkt gekauft. Ich habe ein schlechtes Gewissen. Ich beute eine Maschine aus. So ein Staubsaugerroboter ist ja keine Spülmaschine. Eine Spülmaschine schleicht sich nicht nachts durch die Gegend in die dunklen Ecken. Glaube ich jedenfalls.
Klaus hat eine Lernsensorik. Er vermisst das Wohnzimmer, merkt sich, wo die Ecken und Kanten und Möbel sind. Wo die Tür ist. Klaus krabbelt nachts durch mein Wohnzimmer und prägt sich alles ein. Merkt es sich. Entwirft sich einen Reinigungsplan. Während ich schlafe, ist Klaus aufmerksam bei der Arbeit. Und so schlafe ich mit dem unguten Gefühl, ausspioniert zu werden, ein. Und träume von Klaus. Wie er es irgendwie geschafft hat, die Wohnzimmertüre zu öffnen, sich bis vor die Schlafzimmertüre zu saugen und mit drohendem Fump! Fump! an der Türe Einlass fordert. Weil er saugen will. Mit seinen scharfen Zähnen und dem Sägeblatt. Wie er schließlich mit einem Krachen die Türe durchbricht. Und saugt. Und saugt. Und saugt. Wie meine Frau und ich ängstlich auf dem Bett kauern, während Klaus das Sägeblatt ausfährt und die Beine des Bettes absägt, um an uns heranzukommen. Und uns aufzusaugen. Und plötzlich finde ich die Idee mit dem Schälchen Milch am Aufladeplatz gar nicht mehr so abwegig. Etwas rohes Fleisch wäre vielleicht auch nicht schlecht!
Ich wache schweißgebadet morgens auf. Meine Frau ist weg. Nicht da. Aus dem Wohnzimmer höre ich ihre Stimme: „Das hast Du fein gemacht. Braver Roboter. Braver Klaus. Alles voll!“ Ich muss dazu sagen, dass sie vierzehn Jahre jünger als ich ist und noch einmal ein ganz anderes Verhältnis zu Elektronik als ich hat. Und sie hat von Steven King nur „Es“, „Feuerkind“, „Christine“ und „Cujo“ gelesen. Und gar nichts von Asimov! Erst recht keine Robotergesetze. Sie ist also recht ahnungslos, was diese Dinge angeht. Und ich habe Angst, dass das bei dem Programmierer von Klausis Software auch so gewesen sein könnte. Bevor ich zu ihr gehen und sie fragen kann, ob sie irre geworden ist, hörte ich Klaus summen und schnurren. Entweder freut er sich über das Lob oder er geht auf sie los. „Was ist los?“, brülle ich aus dem Bett. „Ich lasse ihn jetzt den Flur, die Gästetoilette und das Schlafzimmer saugen!“, brüllt sie zurück und dann höre ich Klaus auch schon, wie er sich anschleicht.
Eine Sache zu ahnen, ist eine Sache. Eine Sache zu sehen, ist eine ganz andere Sache. Klaus steht zuerst etwas unentschlossen an der Schlafzimmertüre und blinkt mich überrascht an. Anscheinend hat er nicht damit gerechnet, mich um diese Uhrzeit noch im Bett zu finden. Er scheint zu überlegen, dann gibt er sich einen kleinen Ruck und fährt über die niedrige Bodenschwelle, die das Schlafzimmer vom Flur trennt. Er fährt hin und fährt her, saugt friedlich und ignoriert mich. Absichtlich, wie mir scheint. So, als wäre ich Luft für ihn. Es ist offensichtlich, dass mich der verdammte Roboter mit seiner Verachtung provozieren will. Ich springe aus dem Bett und gebe ihm einen kleinen Tritt, was er mit einem entsetzten Quietschen quittiert. „Was ist los?“, brüllt diesmal meine Frau, diesmal aus dem Badezimmer. „Nichts“, gebe ich nicht ganz ehrlich zurück, „er saugt und ist wohl hängengeblieben!“ Tatsächlich steht Klaus ruhig vor dem Spiegel und blinzelt mit den Sensoren und blitzt mich mit einer Mischung aus Verblüffung und ja – ich meine, auch Zorn und Hass – an.
Er beobachtet mich, ich beobachtet ihn. Da ein Wesen mit Gefühlen, Sehnsüchten und Träumen – dort ein spätmittelalter Mann, der Schiss vor einem neuen Haushaltsgerät hat. Ein ungleicher Kampf. Klaus fiept kurz und saugt sich demonstrativ vor meine Seite des Bettes, als wollte er sagen: „Erst hole ich Deine Hautschuppen – dann Dich!“ Ich bin Unternehmer, ich erkenne feindliches Verhalten! Den kleinen Ikea-Flokati schiebt er verächtlich zur Seite und frisst ein Cent-Stück, das mir wohl aus der Hosentasche gefallen ist. Es verschwindet mit einem lauten Klackern unter seiner Stahlhaut und halb erwartete ich, dass er mich gleich mit kleinen Cent-Splittern perforiert. Entsetzt frage ich mich, was er wohl tun würde, wenn er über einen unvorsichtigen Hamster fährt. Nicht schön.
Ich stehe auf und mache mich im Badezimmer fertig, während Klaus unter dem Bett herumkriecht und den Dreck zusammensammelt. Ich treffe mich dann mit meiner Exfreundin und Neufrau auf dem Balkon zum Frühstück. „Funktioniert super“, meint sie fröhlich, „der saugt besser und akkurater als Du“, sagt sie auch und das hört sich für mich furchtbar falsch an. Ich bin ein sehr guter Sauger und es hatte sich noch niemand unserer Gäste über zu viel Staub auf dem Boden beschwert. Zumindest nicht bei mir. Es ist nicht schön, von einem Elektrogerät den Rang quasi abgesaugt zu bekommen. „Nun, schön, dass Du zufrieden bist“, sagte ich vorsichtig und schließe sicherheitshalber die Türen zu Schlafzimmer und Küche, damit Klaus nicht mithören kann, „aber ich finde, dass Du ihn etwas zu sehr vermenschlichst, wenn Du ihn lobst. Das ist nur ein simples Elektronikgerät, quasi ein Haushaltssklave, der einfach nur saugt. Willst Du vielleicht mit ihm auch noch Gassi gehen?“ Sie sieht mich halb belustigt und halb beleidigt an: „Ach was, das ist doch witzig. Deswegen haben wir ihm doch einen Namen gegeben.“
Das ist es also. Das ist der Schlüssel. Statt dass der Staubsauger einfach nur ein moderner Staubsauger ist, ist er jetzt der Klaus, the Dustkillermachine. „Du würdest ihn streicheln, wenn er ein Fell hätte, was?“, knurre ich zornig. Sie lächelt: „Dazu braucht er kein Fell, das habe ich heute Morgen schon erledigt!“ Ich bin entsetzt. Und verletzt. „Vielleicht hättest Du lieber ihn heiraten sollen, wenn er so gut saugt“, gebe ich übellaunig zurück. „Wenigstens quatscht er mich morgens beim Frühstück nicht blöd von der Seite an“, kontert sie. Das finde ich gemein. Außerdem weiß sie das noch nicht. Klaus frühstückt ja nicht mit uns. Und wenn, dann schluckt er nur Staub. Und mein Kleingeld. Das ist natürlich insgesamt schlecht. Wir bekommen uns wegen eines Staubsaugers in die Staubwolle. Das Übelste seit Loriots „es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann“ (oder so). Ich beschließe, zu deeskalieren: „War doch nur ein Scherz.“ Meine Gattin schnaubt verächtlich und blickt auf ihr Handy. „Er ist jetzt fertig mit dem Schlafzimmer und saugt jetzt im Flur“, stellt sie sachlich fest. So etwas hat sie jedenfalls zu mir noch nie gesagt. „Hat er mir eben auf der App angezeigt“, fügt sie hinzu und ich habe den Verdacht, dass der buchstäbliche Drecksack ihr vielleicht noch ein- zwei Herzchen-Emoticons mit dazu geschickt hat. „Ich hasse das Ding“, entfährt es mir.
Meine Noch-Frau sieht mich entgeistert an: „Du hasst ein Haushaltsgerät? Bist Du noch bei Trost? Ich liebe das Teil!“ In diesem Moment trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag: Sollte ich die beste Frau von allen jemals vor die Wahl „Klaus oder ich“ stellen, ist nicht mehr sichergestellt, dass die Entscheidung eindeutig zu meinen Gunsten ausfällt. Ich muss Gegenmaßnahmen ergreifen. Schnell.
Und als Sie dann abends nach Hause kommt, habe ich eine Überraschung für sie: Neben Klaus´s Ladestation steht jetzt Nina. Der Wischroboter aus dem gleichen Hause. Ich mag Nina. Sie ist weicher, sanfter und hat gerundete Kanten. Sie sieht gut aus. Wie meine Frau. Einträchtig laden Klaus und Nina seitdem nebeneinander auf und ich habe das Gefühl, Nina hat auf Klaus einen guten Einfluss. Er ist seitdem weniger ruckartig unterwegs und fährt nicht mehr so zornig und aggressiv um Hindernisse herum. Ein-, zwei Mal die Woche lassen wir sie im Flur gemeinsam um die Wette reinigen, dann umkurven sie sich und kokettieren wie zwei Liebende. Ich mag Nina. Sie wischt feucht und kann auch im Badezimmer eingesetzt werden. Sie fährt wild kreuz und quer und kümmert sich buchstäblich einen feuchten Kehricht um Reinigungspläne und wenn sie Wasser braucht, dann stößt sie ein charmantes kleines Röcheln und manchmal auch ein Dampfwölkchen aus. Richtig lieb! Wie ich! Auch, wenn mich gelegentlich das Gefühl beschleicht, ich könnte die beiden Turtelroboter eines Nachts in flagranti erwischen, wenn sie sich unbeobachtet von Menschen glauben.
Unser Zusammenleben hat sich seither nicht nur verbessert, die Wohnung ist auch sauberer denn je. Sonntags schauen wir alle gemeinsam einen Film an. „KI“ und „I Robot“, was Maschinen eben gerne sehen. Es ist sehr harmonisch. Das einzige, was mir nicht gefällt, sind die eifersüchtigen Blicke, die meine Frau gelegentlich auf Nina richtet. Ich habe so den leichten Eindruck, als gönne sie Klaus die Ablenkung nicht und tatsächlich wirkt er gelegentlich etwas unkonzentriert, wenn Nina neben ihm und um ihn herum arbeitet.
Was natürlich Quatsch ist. Es sind schließlich nur Haushaltsgeräte, keine Menschen. Das erkläre ich Nina auch immer wieder. Wenn sie sich mit einem fröhlichen Fiepen einschaltet und im Bad um mich herumwischt. Nett, vorsichtig und respektvoll. Wie sich das für einen hübschen Haushaltsroboter gehört. Vielleicht gehen wir zusammen mal aus, ins Kraftwerk oder so oder ich spendiere ihr eine große Ladung Starkstrom. Nur habe ich das Gefühl, dass mein ehemaliges Lieblingsgerät Susi, die Kaffeemaschine, langsam sauer wird, weil sie nicht mehr so beachtet wird. Der Kaffee schmeckt nämlich in letzter Zeit nach Mandeln…
Okay, Sie haben es ja nicht anders gewollt. Ab jetzt kriegen Sie lecker Newsletter von mir. Falls Sie das lieber doch nicht wollen - kurze Email genügt.
Verdammt. Irgendetwas ging schief. Daran ist nr die AfD schuld. Bitte nochmal probieren!