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Die Parteienlücke

Thilo Schneider • 20. Februar 2020

Wen wählt die Mitte?

Ich habe es kurz nach der Wahl Kemmerichs geschrieben und ich schreibe es wieder: Sein Rücktritt war richtig, die Begründung war falsch. 73 Stimmen, die die FDP in den Thüringer Landtag gebracht haben, berechtigen nicht zum Stellen des Ministerpräsidenten und würden den Wählerwillen konterkarieren. Auf diese Erkenntnis hätte die FDP auch drei Tage warten können, aber Christian Lindner war schneller in Erfurt, als Kemmerich „huch“ sagen konnte. Wie dem auch sei: Die Milch liegt im Korn, die Flinte im Brunnen und das Kind ist verschüttet. Die verzweifelte FDP sitzt zwischen allen Stühlen, weil sie vor Leuten eingenickt ist, für die Bodo Ramelow ein lupenreiner Demokrat ist und die eher Kim Yong Un zur bunten Kanzlerin wählen würden, als einem Liberalen einen Kaffee zu spendieren.  

Wohin treibt es nun, das magentafarbene Narrenschiff? Die Wähler, die nie FDP gewählt haben, werden das auch zukünftig nicht tun, die, die sie aus der Hoffnung, die FDP würde liberal-konservatives Rückgrat zeigen, wenden sich enttäuscht und „ja“ – auch ein bisschen angeekelt – ab. Aber exakt diese Schicht Wähler, die Bevormundung ablehnen, die Demokratie tatsächlich leben wollen, die Individualisten und Freiheitsliebenden, das waren auch die, die die FDP endlich wieder über die 5%- Marke gehoben haben. Da kann die FDP in Bayern und Hamburg noch so viel über Digitalisierung maunzen, als es darauf ankam, ein demokratisches Ergebnis, Finte hin oder her, zu verteidigen und im Gegenteil sowohl AfD als auch die Internationale Einheitsfront aus Linke, SPD und Grünen vorzuführen, hat sie krachend versagt. Das, was die FDP an Sympathie für die Verweigerung von Jamaika erhalten hat, hat sie mit Thüringen innerhalb weniger Stunden verspielt. „Bitte geben Sie Ihr politisches Rückgrat am Ausgang des Wahlergebnisses ab“. 

Viele liberal-konservative Wähler fühlen sich heimatlos, bestenfalls bleiben sie den nächsten Wahlen fern, schlimmstenfalls suchen sie ihr Heil-Höcke bei der AfD. Bei der gleichzeitigen Hatz des linken Unionsflügels (ja, den gibt es sogar sehr zahlreich, der ist ebenfalls grün, hat aber den Jagdschein und hübsche Geländewagen) auf die Werteunion werden immer mehr Rufe laut, doch eine neue liberal-konservative Partei aus Teilen der Liberalen und der Werteunion zu gründen. Eine, die für die klassischen Bürger ohne Glutenallergie und blaue Haare wählbar wäre, die sich scharf gegen den rechten Rand, aber auch scharf gegen die mal mehr, mal weniger linksgrünen Parteien abgrenzt. Die vielleicht auch für die Gemäßigten innerhalb der AfD wählbar wäre. Wäre so eine Partei denkbar?

Die AfD würde behaupten, dass das unnötig wäre, sie sei ja bereits genau diese Partei. Das hätte sie gerne, aber solange die AfD einen Gedeon durch die Kulissen tappen hat, der öfter mal über den eigenen Antisemitismus stolpert oder einen Kalbitz, der rein optisch schon den Heinrich-Himmler-Look-alike-Contest gewinnen würde, in beinhart rechtsextremen Gruppierungen umherirrte und so lustige Sachen wie „Die AfD ist die letzte evolutionäre Chance für dieses Land. Danach kommt nur noch ‚Helm auf’. Und das möchte ich nicht“ sagt, bleibt die AfD, ähnlich der Linken, ein Sammelbecken chronisch unzufriedener Haudraufs, die sich einen Bürgerkrieg herbeifaseln, um „endlich mal klar Schiff“ machen zu können. Oder, wie es Höcke letzthin vor der Pegida formulierte: „Das Land steht Kopf. Wir müssen es wieder auf die Füße stellen, wir müssen das Unterste wieder nach unten stellen. Wir werden diesen Kampf gemeinsam führen und gemeinsam gewinnen.“ Da fehlt eigentlich nur noch der Nachhalbsatz: „…oder ich werde dieses Ende nicht erleben.“ Nein, liberal-konservativ oder auch nur bürgerlich geht da völlig anders. 

Tatsächlich scheint es also nach dem schmachvollen Rückzug der FDP aus der bürgerlichen Verantwortung eine womöglich gar keine so schmale Leerstelle zu geben, die jetzt zu füllen wäre. Theoretisch wäre das aus Teilen der Wertunion mit den Liberalen denkbar, die beide nicht so weit entfernt voneinander liegen, als dass sie nicht einen Konsens finden könnten, zumal sowohl die liberal-Konservativen der FDP als auch die Werteunion bundesweit gut vernetzt sind. Und auch nicht jeder progressive Unionist ist von einer weiteren Merkelschaft, diesmal dann von Habecks Gnaden, so rest- und hemmungslos begeistert wie Daniel Günther, der völlig zu Recht bundesweit unbekannte Ministerpräsident Schleswig-Holsteins.    

Das Problem dabei nennt sich „Zersplitterung“. Nehmen wir einmal an, es gäbe diese Partei. Nennen wir sie meinet- und spaßeshalber „LKU“ – liberal-konservative Union. Nehmen wir ferner an, es gelänge dieser Partei, 12% aller Wählerstimmen zu holen. 5% von der AfD, 2% von der FDP, 5% von der CDU. Die AfD würde das nicht wesentlich schwächen, aber die CDU mutmaßlich kanzlerunfähig machen und der FDP das parlamentarische Genick brechen. Der Robert und die Annalena wären die erste Kanzlerdoppelspitze der Bundesrepublik. Herzlichen Glückwunsch. Die LKU würde programmatisch schwanken müssen zwischen einer „CDU-klassisch, FDP 2.0 und AfD-Light“, eine zumindest „interessante“ Spagat-Übung. Hinzu käme die Gefahr, dass mit der Zeit auch die Höckekalbitze der AfD die LKU unterwandern würden, schlicht und einfach bereits aus einem Selbsterhaltungstrieb heraus. Auch eine LKU käme also um einen wenigstens weichen Unvereinbarkeitsbeschluss nicht herum. 

Daneben würden die etablierten Medien und linken Parteien Zeter und Mordio schreien und die LKU schneller in eine rechtsradikale Ecke schreiben und drücken, als Kemmerich sich „Ministerpräsident a.D.“ nennen durfte. Wer es nicht glaubt, mag gerne Bernd Lucke fragen. Und last but not least sind die demokratischen Friedhöfe voll von Parteien, die das ja bereits versucht haben, seien es beispielsweise „die Bürgerpartei“ oder „die Blauen“. Anderen Alternativen reicht für ihre Parteitage ein Hinterzimmer in der örtlichen Pizzeria, wie beispielsweise „die Humanisten“ und das dürfte sich auf unabsehbare Zeit auch nicht ändern. 

Nein, es wird nicht funktionieren. Politik ist nun einmal das Bohren dicker Bretter und das Werben um Mehrheiten. Das ist anstrengend und dauert. Die liberal-konservativen Kräfte in Union und FDP sind dazu verdammt, zu bleiben und weiter zu kämpfen. In der Hoffnung, ihre jeweiligen Parteien wieder auf für eine gar nicht so kleine Wählergruppe gangbare Wege und fahrfähige Wasser zu lenken. Und verloren gegangenes Vertrauen wieder her zu stellen. Dies kann funktionieren – wenn die restbürgerlichen Parteien sich endlich ohne Scham Vorfeldorganisationen ähnlich der FFF-Bewegung der Grünen schaffen. „Es ist noch immer gut gegangen und hat gereicht“ ist keine Option mehr. Und Austreten eigentlich auch nicht. Obwohl es bei Netflix viele coole neue Serien gibt.     

von Thilo Schneider 12. Januar 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15. Juli 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25. Juni 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30. Mai 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
Fallschirmjäger beim Sammeln
10. Dezember 2022
Wenn man morgens um 8 ohne Knoppers einen Staatsstreich vereitelt
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