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Irrtum nicht ausgeschlossen

Thilo Schneider • 27. Februar 2020

...und was, wenn ich wirklich falsch liege?

Bild von photosforyou auf Pixabay
Jeder denkende Mensch sollte sich gelegentlich hinterfragen. Ob das, was er tut, gut und richtig ist. Ob das, was er tut, seiner eigenen Definition von „gut und richtig“ entspricht. Sofern er geistig gesund ist, steigt er dann nicht in sein Auto und ballert mal eben Leute in einer Sisha-Bar zusammen oder pflügt durch den Faschingsumzug einer Kleinstadt. „So etwas tut man nicht“, hat die Oma immer gesagt, die vielleicht im Jungmädelbund noch ganz andere Dinge getan hat, die „man nicht tut“, aber darüber hat sie ja nie geredet. 
„Man“ tut heute eine ganze Menge. Ich glaube, das Internet und seine Anonymität haben viel dazu beigetragen, dass die Menschen ihre Achtung und ihren Respekt vor den Mitmenschen verloren haben. Im Gegenteil – und da schließe ich mich ein – geht es doch darum, Gehör zu finden und gehört zu werden und je deftiger dies passiert, desto lauter ist der Aufschrei und desto mehr wird zu- oder weggehört. Politiker wissen das seit ewigen Zeiten und um wie Mussolini am Balkon zu brüllen, braucht es heute keinen Balkon mehr, der Twitter-Account ist ein hervorragendes Substitut. Die Brüllerei von allen Seiten ist mittlerweile derart penetrant, dass sich der Staat, das unbekannte Gemeinwesen, bemüßigt sah, ein „Netzdurchdringungsgesetz“ zu verabschieden, um vordergründig wenigstens der lautesten Brüller, hintergründig der nicht staatskonformen Rufer und Mahner habhaft zu werden. 

Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin es anders gewohnt, ich bin anders aufgewachsen. Was mir meine Eltern nicht vermitteln konnten, habe ich mir von James.T.Kirk und Jean-Luc Picard erklären lassen. Zusammengedampft: „Sei mutig, geh voran, versuche, möglichst viele Aspekte auszuleuchten. Sei optimistisch und gehe davon aus, dass Deine Mitlebewesen es grundsätzlich gut mit Dir meinen.“ Deswegen würde ich trotzdem nicht in einen Käfig mit hungrigen Rottweilern steigen oder mich im BVB-Trikot in die Südkurve der Allianz-Arena stellen. Oder die Schilde unten lassen, wenn plötzlich ein romulanisches Kriegsschiff auftaucht. „So etwas tut man nicht“ – wenn man nicht lebensmüde ist. Ich stelle mein Auto nicht auf einen Behindertenparkplatz und werfe meinen Müll nicht aus dem Fenster. Ich drängle mich an der Supermarktkasse nicht vor und wenn ich sehe, dass Frau Klöbner aus dem Vierten ihre Einkäufe zu schwer sind, dann trage ich ihr ihre Beute nach oben.

Das eigentlich Schlimme ist, dass das heute, in der Welt der Brüller, erwähnenswert geworden ist. Dass primitivste und einfachste Formen der Höflichkeit heute zu etwas Besonderem geworden sind. Für die Ralph Stegners und Jakob Augsteins dieser Republik habe ich als Achse-Autor in Hanau mitgeschossen, für Grüne, Sozialdemokraten und Sozialisten bin ich seit Thüringen als FDPler eine Art Nazi-light und nur mit den vereinten Kräften von der Kanzlerin bis zur Kantinenköchin des Thüringer Landtags konnte die „Machtergreifung“ Höckes mit Hilfe eines MP Kemmerich so gerade noch verhindert werden. 

Und vielleicht – hier bin ich wieder beim Hinterfragen – haben sie ja recht, der Böhmermann und die anderen Brandgutachter. Vielleicht bin ich ja wirklich Biedermann und Brandstifter. Vielleicht liege ich ja wirklich falsch, wenn ich darauf bestehe, dass Gesetze bitte für alle gleichermaßen gelten. Vielleicht bin ich ja wirklich „zu unlocker“ und unfair, wenn ich das Retten aus Seenot nicht mit einer Passage und einem Aufenthaltstitel in Europa oder Deutschland gleichsetze. Vielleicht sollte ich es wahrhaftig dem Staat überlassen, welches Auto ich fahre und welches Essen bei mir auf dem Teller liegt, wie viel Miete ich verlange und wem mein Mitgefühl zu gelten hat. Ich habe mich immer für einen Demokraten gehalten, was bedeutet, dass man für seine Position wirbt und einen Diskurs führt und sich letztlich der Mehrheit unterwirft. Und wenn ich mir die Wahlergebnisse in Hamburg betrachte, dann will diese Mehrheit tatsächlich lieber einen regulatorischen Staat, tatsächlich weniger Freiheit, tatsächlich mehr Multikulti, hat die Mehrheit tatsächlich mehr Angst davor, dass Höcke zur nächsten Konferenz in die Villa Marlier am Wannsee einlädt, als dass Ramelow und Genossen Mietpreise festsetzen. Und vielleicht haben die ja recht und ich habe unrecht und bin zu blauäugig und zu naiv und mein Menschenbild ist zu positiv. 

Möglicherweise stimmt es ja und wir haben mittlerweile nicht mehr die Wahl zwischen einer freien und einer unfreien Gesellschaft, sondern nur noch zwischen den Abstufungen der Unfreiheit. Was weiß denn ich? Dann hat das das gute alte „Hufeisen“ eben ausgedient und eine echte DDR2.0-Kuscheldiktatur ist charmanter als eine vermutete und befürchtete faschistische Diktatur. Oder, kürzer: das Leben in der DDR war weitaus ungefährlicher als das Leben im Dritten Reich. Und auf jeden Fall länger. Wenn man genügend Abstand zum Zaun des Arbeiter- und Bauern- und Staatsbedienstetenparadieses hielt. Wenn ich das richtig verstehe, wenn es also nur noch die Wahl zwischen Deutschem Reich und Deutscher Demokratischer Republik gibt, dann nehme ich Alternative Drei und haue ab. 

Ich bin nur ein alter weißer Mann, der auf der anderen Seite des Zauns gestanden hat und dem dadurch die sicherlich kommunikativen Vorteile von Etagenklos, Zweitaktautos und Stasi-Überwachungen entgangen sind. Wofür ich bis heute sehr dankbar bin. Ich war, bin und werde immer überzeugter Demokrat und Bundesrepublikaner sein. Ich habe mir eben in den letzten 30 Jahren etwas Wohlstand zusammengekratzt und möchte diesen – da bin ich egoistisch – nicht an Leute verschenken, die am Dienstag erst angekommen sind oder ihre Stütze zum Tätowierer tragen. 

Aber wenn es die Mehrheit eben so will – dann soll sie es eben so haben. Dann werde ich gehen, solange ich es noch kann. Dahin, wo es ungefährlich ist. Israel soll zu jeder Jahreszeit schön sein. Und ich werde sehr laut lachen, wenn die hiesige Bevölkerung am Maifeiertag mit Saskia-Esken-Transparenten und Bodo-Ramelow-Konterfeis jubelnd und winkend ihre Dankbarkeit über die Wohltaten des SEPD-Volksrats und den ewigen Sieg über den Faschismus ausdrückt. Ich werde sie alle am Al-Quds-Tag glückselig und unteilbar gegen mein neues Heimatland demonstrieren sehen, bevor sie mit dem Fahrrad oder ihren kleinen genormten Elektrokugeln wieder nach Volksgemeinschaftshause rollen. Ich hatte schließlich unrecht. Hoffentlich werden wir dann alle glücklich sein. 

von Thilo Schneider 12. Januar 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15. Juli 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25. Juni 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30. Mai 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
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