Tüüt… Tüüt… Tüüt…
„Ja hallo, MediaschornalismGeEmBeHa Köln, mein Name ist Susanne Berger, was kann ich für Sie tun?“
„Guten Tag, Frau Berger, hier spricht Claus Rethilos vom Ostwestnordsüddeutschen Rundfunk. Wir bräuchten für die Abendnachrichten einen Bericht über die Flüchtlinge an der griechischen Grenze, so mit verheulten Kindern und so. Kriegen Sie das hin?“
„Grundsätzlich ja, wenn Sie uns eine Maschine nach Istanbul…“
„Was? Nein, Quatsch. Wir sind ein öffentlich-rechtlicher Sender, wir haben kein Geld. Sie müssen doch dazu nicht vor Ort sein, oder?
„Hmm… Da haben Sie recht. Wir könnten natürlich auch nach Primärquellen im Internet…“
„Das können wir selbst auch. Ich will einen Exklusivbericht, nur für uns!“
„Aber wie sollen wir das denn machen, wenn wir nicht vor Ort sein sollen und auch keine Internetquellen nutzen sollen?“
„Sie sind neu im Geschäft, kann das sein? Also: Sie schnappen sich einen Kameramann und einen Typen, der ein Mikrofon halten kann. Dann fahren Sie ´raus nach Ehrenfeld und suchen sich ein Migrantenkind mit dunkler Hautfarbe. Irgendeines. So maximal zehn Jahre alt. Dann fahren Sie mit dem Kind und vielleicht einem seiner Eltern vor irgendein Industriegebäude. Wichtig wäre, dass das Gebäude einen Stacheldraht hat und etwas siffig aussieht. Dort machen Sie ein Feuer mit viel Rauch und dann filmen Sie meinetwegen den Vater, wie er im Rauch mit dem Kind auf dem Arm an dem Stacheldrahtzaun entlangläuft. Falls das Kind wegen des Rauchs nicht heult, dann soll der Vater dem Kind eben eine knallen. Ich will Bilder von verheulten Kindern, Stacheldraht und Rauch. Und wenn Sie es rund machen wollen, dann malen Sie noch ein Bild mit griechischen Schriftzeichen. Ich kann auch gerne noch einmal bei uns im Kostümfundus nachsehen, ob wir noch eine Bereitschaftspolizeiuniform finden. Da könnte dann vielleicht noch irgendjemand mit einem Schlagstock dem Vater mit dem Kind hinterherrennen. Wichtig wäre, dass das Ganze dramatisch aussieht. Ich will, dass die Leute vor dem Fernseher „um Gottes Willen, wie unmenschlich“ sagen. Kriegen Sie das hin? Das sollte für eine Medienfirma ja wohl machbar sein.“
„Ehm schon, aber das wäre doch von vorne bis hinten erstunken und erlogen?“
„Hören Sie, wenn Sie Skrupel haben… Ich kann gerne den Nächsten anrufen…“
„Neinnein, ich meine ja nur. Wir sind eine seriöse Firma. Eigentlich.“
„Wir sind auch seriös. Es ist ja nicht auszuschließen, dass sich genau solche Szenen an der griechischen Grenze abspielen, es macht tatsächlich also keinen Unterschied, ob Sie in Köln oder Kipoi drehen. Außerdem dient das Ganze ja einem guten Zweck, nämlich der Bereitschaft, weiter Flüchtlinge aufzunehmen. Da können wir jetzt journalistische Prinzipien reiten oder wir handeln einfach. Im Sinne der Menschlichkeit und Humanität. Was ist Ihnen lieber?“
„Hmm… Was zahlen Sie denn?“
„Ah, jetzt kommen wir zur Sache. Es wird genug sein, dass Sie den Rest des Halbjahres Urlaub machen können. Und das ist ja auch für Sie mal etwas Anderes, als Werbefilmchen vom „Sanitätshaus Klöbner“ für´s Regionalfernsehen zu drehen, oder? Da können Sie sich auch selbst einmal künstlerisch verwirklichen und das auch noch für einen guten Zweck!“
„Behalten wir die Rechte an dem Film?“
„Nein, die gehen an uns. Aber wenn Sie es richtig machen, dann können wir den Film auch für den Palästina-Konflikt oder den türkischen Angriff auf die Kurden verwenden. Dann legen wir gerne noch etwas obendrauf. Wichtig sind eben Drama und Action. Kriegen Sie das hin oder nicht?“
„Doch, das schaffen wir. Kein Problem!“
„Sehr schön. Eines noch: Achten Sie darauf, dass Ihre Darsteller nicht zu gut angezogen sind und vermeiden Sie Handys und Autos neueren Baujahrs im Hintergrund. Wenn Sie um die Mittagszeit drehen, kriegen Sie vielleicht sogar einen Muezzin-Ruf auf die Tonspur. Das würde das Ganze noch etwas authentischer machen.“
„Ja, doch, das kriegen wir hin!“
„Prima. Wenn Sie es schaffen, mir das Material vor 18.00 Uhr zu liefern, dann kann ich das in die Tagesschau packen.“
„Alles klar, machen wir!“
„Sehr gut. Wenn das funktioniert, kriegen Sie noch mehr Aufträge. Wir brauchen Anfang Mai Bilder, wie Polizisten einen Punk zusammenprügeln, wegen der Demos zum 1. Mai.“
„Und Nazis, brauchen Sie auch was mit Nazis?“
„Nazis kommen immer gut, aber darüber reden wir später. Wenn Sie uns die Reportage geliefert haben. Dieses Gespräch hat übrigens nicht stattgefunden. Ich freue mich drauf. Ihnen noch einen schönen Tag!“
„Danke, wir machen uns an die Arbeit. Bis später!“
„Bis später, Tschö mit Ö.“
*bip*
Na also!