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Kanzler der Pudelmützen

Thilo Schneider • 15. April 2020

"...wenn ich Kanzler von Deutschland wär..."

Bild von MINTiKi auf Pixabay
Mir tut es weh, das zu sagen: Aber es ist gut, dass ich nicht deutscher Kanzler bin. Für mich und für Deutschland. Neben dem, dass ich mich wahrscheinlich von den ganzen Banketten und Häppchen mittlerweile selbständig von Termin zu Termin rollen könnte, wäre ich mit meiner Macht viel zu verspielt. Ich hätte viel zu viel Freude an meiner Kanzlerschaft. 

In Kenntnis der Seele meiner Regierten würde ich aus Spaß beispielsweise Folgendes machen: Ich würde in der Presse lancieren, dass in Südamerika Menschen durch „kosmische Strahlung“ sterben oder wenigstens schlimme Gehirnschäden erleiden. Dazwischen würde ich in der ein- oder anderen Natur- und Geographie-Doku der Öffentlich-Redlichen einstreuen lassen, dass dieses Phänomen den Südamerikanern bereits seit Jahrhunderten bekannt ist, weswegen sie einerseits Wollmützen mit Bommeln tragen und außerdem Panflöte spielen, weil die Atemfrequenz beim Spielen den Gehirndruck und damit die Schädlichkeit der Strahlen minimiert. Das ist zwar hirnrissig, aber bei meinen Regierten muss die Lüge ja bekanntlich nur groß genug sein…

Jetzt schnappe ich mir irgendeinen Experten, der „frühzeitig warnt“. Das kann in diesem Fall ein Klimaforscher oder Quantenmechaniker, ein Onkologe oder Gehirnchirurg sein, der seinen Doktortitel an der University of Bahamas gekauft hat, das spielt keine Rolle. Er muss nur seriös aussehen. Zur Not geht auch mein Friseur, wichtig ist, dass er in einem Fernseh- oder Radiointerview als „Experte“ bezeichnet wird. Diesen lasse ich nun raunen, dass wir durchaus damit rechnen müssen, dieses Phänomen auch in Deutschland kennenzulernen. Das Ganze garniere ich mit Bildern von Leuten mit Wollmützen in New York und Kasachstan, die ebenfalls „erste Auswirkungen spüren“. 

Im Fernsehen lasse ich verstärkt Reportagen laufen: Über kosmische Strahlung und „Strahlungslöcher“, die den Menschen in Lampukistan schwer zu schaffen machen, dazwischen Dokus über die Produktion von Wollmützen („Vom Hammel zur Bommel – wo eine Wolle ist, ist auch ein Weg“) und Panflöten, vielleicht findet sich in der öffentlich-rechtlichen Filmbibliothek ein Science Fiction-Film, in dem die Menschheit ausgerechnet von kosmischer Strahlung ausgelöscht wurde. 

Langsam steigt der Angst- und Stresspegel der Bevölkerung. Erste „Influenzer“ und Blogger springen jetzt auf und erzählen auf ihren Kanälen von der „unterschätzten Gefahr“, der ein- oder andere zeigt vielleicht auch seine stylishe Wollmütze mit Bommel herum und nun wird auch die Opposition meiner Regierung (sofern ich sie zulasse) lebendig. Es folgen mehrere „kleine Anfragen“ im Bundestag zu den Themen Krisenprävention, staatliche Wollvorräte und den Sterblichkeitsraten von kosmisch Verstrahlten sowie Anzahl der in der Bundesrepublik hergestellten Panflöten. Der Mechanismus der parlamentarischen und wissenschaftlichen Dienste gerät in Bewegung. 

In den sozialen Medien tobt zu diesem Zeitpunkt bereits ein Krieg zwischen sogenannten „Strahlungsgläubigen“ und „Strahlungsleugnern“, der an gegenseitiger Erbitterung die Schlacht von Verdun in den Schatten stellt. Meine Bürger stellen Videos ins Web, in denen man sie pudelbemützt Panflöte spielen sieht. 
Es wird Zeit für den großen Wurf: Wenn die BILD Schlagzeilen wie „Erste Strahlungstote in Rumänien und Bulgarien“ bringt, stelle ich mich gemeinsam mit meinem Außenminister vor die Kamera und beschwöre den „europäischen Zusammenhalt in dieser Krise“. Nun brauche ich irgendeinen Kritiker – ebenfalls „Experte“ – der die These der „Toten durch kosmische Strahlung“ in Zweifel zieht, vielleicht sogar als Humbug bezeichnet. Den lasse ich auf Youtube und in ein paar Morgenmagazinen zu Wort kommen.

Selbstverständlich, um ihn dann als Scharlatan zu schlachten und der Lächerlichkeit preiszugeben. Von nun an habe ich von tatsächlichen und echten Experten keinen Widerspruch mehr zu erwarten. Die sind gewarnt und wollen ihre öffentlichen Fördergelder nicht verlieren. 

Es läuft. Schafscherer und Wollproduzenten freuen sich über steigende Umsatzzahlen und die Modeindustrie verkauft Wollbommelmützen wie geschnittenes Brot. Der Musikalienhandel wird von Panflötenbestellungen überrollt, Musikschulen gucken überrascht durch die Flötenfinger. Ich lasse ein paar seltsame, unreflektierte Berechnungen und Grafiken in die Menge werfen und beginne, Opferzahlen frei zu erfinden. Das flankiere ich mit Schlagzeilen wie „Skifahrer ohne Bommelmütze tödlich verunglückt – ist die kosmische Strahlung schuld?“ oder „Schon 5.000 Tote in Deutschland ohne Bommelmütze“. Ich lasse SPIEGEL und Co Berichte über hungernde Pandas schreiben, weil der komplette Bambus mittlerweile der chinesischen Panflötenproduktion zum Opfer fällt. 

Ich lache mir den Hintern weg: Während die Opposition endlich Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor kosmischer Strahlung fordert, melden erste Schäfer, Baumwoll- und Textilunternehmer Materialmangel. Es findet ein Run auf Wolllädchen und Handarbeitsartikel statt, die Volkshochschule bietet Kurse zum Thema „Wollbommelmützen selber stricken“ an und ist binnen Minuten komplett ausgebucht. Musik- und Handarbeitslehrerinnen machen auf die Missstände an ihren Schulen aufmerksam und fordern endlich angemessene Gehälter. Vereinzelt finden Demos unter dem Motto „Bringt uns endlich die Panflötentöne bei“ statt. Meine Experten erklären eindringlich, dass weder Basecaps, noch Hüte oder Helme, weder Käppis oder Kippas gegen die Strahlung helfen – einzig Pudelmützen mit Bommel sind das Gebot der Stunde. Quer- und Blockflöten werden verboten, die einschlägigen Firmen stellen die Produktion auf Panflöten um. 

Es wird Zeit für den finalen Schlag: Ich verhänge eine Ausgangsbeschränkung und eine Wollbommelmützen- und Pan(p)flötenpflicht. Wer ohne Pudelmütze und Instrument erwischt wird, wird mit saftigen Geld- oder Gefängnisstrafen belegt. Innerhalb von vier Wochen haben sich meine Regierten bei schönstem Sommerwetter in ein Heer von bebommelten Mützenträgern verwandelt, die sich gegenseitig auf ihren Holzblasinstrumenten verpfeifen, wenn sie einen Barhäuptigen sichten. Es gibt Prügeleien vor Handarbeitsläden um Wollknäuel, Kanada und Schweden melden Lieferengpässe für Holz. Die heimische Forstwirtschaft rodet radikal Odenwald und Spessart für den Nachschub der Holzblasinstrumentenbauer. Demonstranten, die für den Erhalt der Wälder Bäume besetzen, werden von aufgebrachten Mützenträgern gelyncht. Die heimische Presse berichtet über das Ausland mit hämischem „Die werden schon sehen, was sie davon haben“-Tenor und ich behaupte, die Amerikaner hätten für Deutschland bestimmte Panflöten abgefangen. 

Unter all den bemützten Pfeifern irren verstörte Indios aus Peru herum und verstehen die Welt nicht mehr. „El cóndor pasa“ wird inoffizielle Hymne. Im Internet kursieren Videos von Spinnern, die die „kosmische Strahlung“ als „Mahnung“ und wahlweise „Strafe Gottes“ oder der Natur oder der Pandabären interpretieren, selbstverständlich unterlegt mit trister Panflötenmusik. An den Flughäfen und über die Grenze kommen nur noch Leute mit Mütze und Musikinstrument ins Land.

Jeden Mittwoch gebe ich eine Pressekonferenz, in der ich behaupte, noch keinen Ausstiegszeitpunkt zu kennen und in der ich mich für das Vertrauen meiner Regierten in mich bedanke. Dann kehre ich laut lachend zu dem Häppchen und Buffets zurück. Mein Volk ist mit Bommeln und Blasen beschäftigt und ich kann unter der beifälligen Flötenmusik meiner Untertanen endlich Grundrechte außer Kraft setzen. Alles richtig gemacht. 

von Thilo Schneider 12. Januar 2024
„Guten Abend, liebe Zuschauer! Zu unserem heutigen Thema „Wann ist man ein Nazi“ habe ich heute einen absoluten Experten auf diesem Gebiet eingeladen: Werner Strößenbrunner!“ (Applaus, der Experte im grauen Anzug mit einem schwarz-weiß-roten Ansteckerchen betritt die Bühne) „Guten Abend, Herr Strößenbrunner…“ „Obersturmbannführer Strößenbrunner bitte. Aber nennen Sie mich einfach Obersturmbannführer.“ „Danke, Herr Obersturmbannführer. Schön, dass Sie heute unter Gast sind.“ „Ja gerne und ein herzliches Heil! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ „Herr Obersturmbannführer, ich darf Sie unserem Publikum kurz vorstellen: Vorstrafe wegen des Schmierens von Hakenkreuzen auf Synagogen, gewalttätiger Übergriff auf den Wirt eines israelischen Restaurants, Vorsitzender des Vereins „Blut und Boden“, Vorsitzender der Jugendorganisation „Reichskriegsflagge“ und Verfasser des Buchs „Vorschläge zur vorläufigen Erledigung der Remigration“. Herr Obersturmbannführer, würden Sie sagen, Sie sind ein Rechtsextremist?“ „Ach wissen Sie, was heißt denn Rechtsextremist? Heutzutage wird man viel zu schnell von den öffentlich-rechtlichen, von Soros und Rothschild finanzierten Systemmedien in die rechte Ecke geschoben. Ich würde mich als konservativen Patrioten bezeichnen.“ „Naja, das Schmieren von Hakenkreuzen ist kein Kavaliersdelikt…“ „Da war ich 17 Jahre alt. Eine bedauerliche Jugendsünde. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie das war. Ich war da in der Ausbildung zum Landschaftsmaler, das war damals so, und sollte Farbe von A nach B bringen und da war diese Synagoge und ich stand so da und plötzlich waren da mehrere Hakenkreuze drauf. Ich habe bis heute keine Ahnung, wie das passieren konnte und es tut mir auch leid…“ „Die Hakenkreuze tun Ihnen leid?“ „Nein, es tut mir leid, dass ich nicht mehr Farbe dabeihatte. Ich wollte neue holen, aber da waren die Schergen der linksunterwanderten BeErDe bereits da und haben mich verhaftet. Obwohl ich gar nichts dazu konnte.“ „…und die Körperverletzung…?“ „Ach, ganz normale Wirtshausschlägerei, wie sie bei jedem Dorffest stattfindet…“ „…das war keine gezielte Attacke auf den jüdischen Besitzer?“ (seufzt) „…er wollte uns hindern, unsere Brandsätze zu zünden. Was hätten Sie denn in meiner Situation getan? Natürlich habe ich ihm auf die Menora gegeben, das war aber mehr so ein Reflex, so aus der Drehung heraus. Das wurde damals von der ostküstenfinanzierten Lokalpresse schrecklich aufgebauscht…“ „Sie müssen aber schon zugeben, dass das ein wenig den Eindruck erweckt, als hätten Sie etwas gegen Juden…“ „Was? Nein! Ich habe gar nichts gegen Juden, da sind ja schon die ursprünglich von den Nazis verschärften Waffengesetze außen vor!“ „Würden Sie, Herr Obersturmbannführer, sagen, dass Sie Antisemit sind?“ „Nur, weil ich keine Juden mag? Das wird ja wohl noch erlaubt sein!“ „Aber es sind ja nicht nur Juden, um die es Ihnen geht?“ "Ich habe ein generelles Problem mit Volk, das nicht hierhergehört! Und nicht nur ich! Sehen Sie sich doch um! Die ganzen Schleiereulen, die Kopftuchstaffeln, die stark pigmentierten Menschen, das ist doch nicht mehr schön? Da muss man doch etwas tun! Gegen diese Umvolkung muss sich doch ein rassisch gesundes Volk bis zur letzten Patrone mit fanatischem Widerstand durchsetzen!“ „Das ist ein gutes Stichwort! In Ihrem Buch zur Remigration schlagen Sie beispielsweise vor, dass Bürger mit deutschem Pass, deren Ahnenreihe nicht wenigstens vier Generationen zurückreicht, die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, wenn sie einen zweiten Pass haben.“ „Ja, da muss man sich eben mal entscheiden, ob man deutsche Sozialleistungen oder türkischen Wehrdienst und Erben genießen will. Sie haben ja auch keine zwei Frauen, sondern müssen sich für eine entscheiden. Wenn Sie jetzt nicht gerade aus dem Nahen Osten kommen.“ „Wäre das aber nicht ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz?“ „Ach, das kann man mit 2/3-Mehrheit ändern, da sehe ich jetzt kein so großes Problem.“ „Außerdem schreiben Sie, dass Sie straffällig gewordene Bürger entweder nach Möglichkeit abschieben oder zu körperlicher Arbeit verpflichten wollen!“ „Ja, ich halte das für eine gute Lösung! Wir kaufen den Marokkanern, Tunesiern oder Libyern ein Gelände in der Wüste ab und da packen wir das ganze Kroppzeug hin. Da können sie dann den ganzen Tag Sandsäcke füllen, was wiederum den Opfern in unseren Hochwassergebieten zugutekäme.“ „Auch das wäre aber nicht nur ein Verfassungsbruch, sondern sogar ein ethischer Dammbruch. Obersturmbannführer, klare Frage, klare Auskunft: Sind Sie für ethnische Säuberungen in Deutschland?“ „Ach, „ethnische Säuberungen“, das ist auch nur wieder so eine Hohlphrase aus der linken Ecke, um patriotische Deutsche zu framen und zu verunglimpfen. Ich will hier einfach nicht so viele Westasiaten haben. Ein paar sind ja in Ordnung und machen im Niedriglohnsektor einen ganz guten Job, einer muss ja das Essen an den Tisch bringen und Opa mal im Pflegeheim umdrehen, aber das heißt doch bitte nicht, dass hier gleich eine Umvolkung stattfinden muss…“ „Auch das war aber jetzt bereits rassistisch!“ „Ach, was heißt denn „rassistisch“? Ich sag doch nur, wie es ist und wie es die Mehrzahl der Bevölkerung sieht!“ „Glauben Sie, die Mehrheit sieht das so?“ „Wenn wir erst einmal die Mainstream-Medien übernommen haben, dann werden die das so sehen, mein Wort darauf!“ „Sie planen also so eine Art „Machtergreifung“? „Auch wieder so ein Wort aus der linksradikalen Mottenkiste. Wir reden davon, wie wir die politischen Verhältnisse in Deutschland im Sinne des deutschen Volkes neu ordnen können.“ „Ist es korrekt, dass Sie in Ihrer Funktion auch Gespräche mit den Spitzen der AfD führen?“ „Das sind nur private Gespräche, ganz locker und ohne jeden Hintergrund, man kennt sich doch, da sehe ich jetzt kein Problem. Die denken ja im Grunde wie wir, trauen sich nur nicht, das laut zu sagen, aber man wird ja wohl noch auf ein Bier gehen dürfen! Das wird alles viel zu hoch aufgehenkt.“ „Herr Obersturmbannführer, was wäre denn für jemanden wie Sie ein Nazi?“ „Das wäre jemand, der zwischen 1890 und 1930 geboren ist und Mitglied bei der NSDAP war. Das wäre ein Nazi.“ „War Hitler ein Nazi?“ „Ich glaube nicht, dass man das so pauschal sagen kann, er war zwar Mitglied der Partei, aber er hat ja auch die Autobahnen gebaut, die Kirchensteuer eingeführt und die Schreibschrift reformiert, das darf man nicht vergessen!“ „…und was wäre für Sie ein Rechtsextremist?“ „Das wäre jemand, der Leute in Gaskammern schicken oder vernichten will und dazu auch noch Nachbarländer überfällt. Das ist ja nicht das, was wir wollen! Aufgrund der Demographie brauchen wir kein neues Land im Osten. Da müssen wir erst einmal hier wieder auffüllen.“ „Herr Obersturmbannführer, wir danken Ihnen für dieses Gespräch. Guten Abend.“ „Heil!“
Deutende Punkerin. Bild von Wolfgang Eckert auf Pixabay.
von Thilo Schneider 15. Juli 2023
Ich wurde als Hetzer, Rechtspopulist und Rassist bezeichnet. Wenigstens ein Punkt stimmt.
Bild eines Gitarristen von Pexels auf Pixabay
von Thilo Schneider 25. Juni 2023
Kleinkünstler sollten besser links sein - wenn sie Auftritte mit Freibier haben wollen. Und sie sollten einen albernen Hut oder Pferdeschwanz haben! Und im Leben den Rettungsring daneben gegriffen haben.
Polizeikontrolle, mit Spielzeugautos nachgestellt
von Thilo Schneider 30. Mai 2023
Eine Polizeidozentin, eine Polizeikontrolle, ein "nicht so gemeinter Tweet", ein Drama in einem Akt.
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10. Dezember 2022
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