Manchmal passiert mir das ja. Ich schreibe einen Tweet oder einen Artikel und der geht dann irgendwie viral. Wegen Moria zwitscherte ich: „Wenn das Haus meines Nachbarn brennt und ich ihm die Garage als vorläufige Notlösung anbiete und er dann die Garage abfackelt und die Feuerwehr am Löschen hindert, ist, glaube ich, das Letzte, was ich tue, ihn bei mir im Haus aufzunehmen. Ich bin da etwas herzlos, gebe ich zu.“ Neben 105.000 Leuten, die das gesehen (und munter auf Facebook geteilt haben) und 18.400 Interaktionen, 5300 Likes und 1400 Retweets und viel Zustimmung hagelte es natürlich auch (berechtigte) Kritik von wegen grober und polemischer Verkürzung. Das stimmt und ist vollkommen korrekt. Twitter gibt nun einmal nur 240 Zeichen her und da geht nun einmal nur ein einziges kurzes und prägnantes Statement. Hinter dem ich im Übrigen stehe.
Nun hat Borus Pistorius (SPD) der WELT ein Interview gegeben. Darin sagt der Innenminister von Niedersachsen wörtlich: „Schon bei meinen Besuchen auf Lesbos 2016 und 2019 war die Situation dort völlig inakzeptabel. Griechenland muss gemeinsam mit der EU jetzt sehr schnell Lösungen finden. Es ist blamabel, dass sich erneut nur wenige EU-Staaten der deutschen Aufnahmeinitiative anschließen. Dabei ist für alle unübersehbar: Wir brauchen endlich ein belastbares, gerechtes und die Staaten unmittelbar verpflichtendes europäisches Asylsystem. Folgendes ist für eine tragfähige und gerechte zukünftige europäische Asylpolitik geboten.“
Das ist das Gleiche, nur in Politiker-Blabla. Es ist ja auch nicht so, dass die SPD bereits 2016 an der Regierung beteiligt war – oder wenigstens das, was Angela Merkel darunter versteht. Was hat denn Boris Pistorius seitdem aktiv bewegt? War der nur da unten, hat „schlimmschlimm“ gesagt, noch ein paar Häppchen Hirtenkäse gefuttert und ist dann wieder nach Niedertrachtsachsen gereist?
Aber ich will gar nicht auf die vollalimentierte untere Charge eines Landesfürsten der niedersächsischen Provinz einschlagen, ich bin sicher, er meint es nur gut, aber als niedersächsischer Innenminister bist Du ja in etwa so handlungsfähig wie ein Einbeiniger beim Hürdenlauf. Mir geht es um etwas Anderes:
Mich verblüfft, dass meinen Zeitgenossen in Politik und Gesellschaft nichts Anderes als „Alle herholen“ oder die Sprechblase „wir brauchen eine gesamteuropäische Lösung“ einfällt. Um bei dem Eingangstweet zu bleiben: Ich könnte meinem Nachbarn Werkzeug und/oder Baumaterial kaufen, damit er sein Haus wieder aufbauen kann. Wenn das nicht geht, weil da noch Blindgänger herumliegen oder Einsturzgefahr besteht, kann ich seine minderjährigen Kinder(!) für seine Verweildauer aufnehmen. Ich kann auch an die Garage anbauen, bis sich die Situation geklärt hat. Ich kann ihm Wasser, Nahrung und Obdach bieten – selbst, wenn er die Garage eigenhändig abgefackelt hat. Aber in einer schöneren Garage.
Was ich aber eigentlich sagen will, wobei ich tatsächlich ja recht simpel gestrickt bin: Die Lager auf Moria sind eine Schande für ganz Europa. Schlicht, weil sie dreckig und überfüllt sind. Ich verstehe die Griechen, die sich nicht für „Hotelaufenthalte mit All inclusive“ für nichtzahlende Gäste zuständig sehen, sondern im Gegenteil, abschrecken wollen. Ich verstehe auch viele EU-Staaten, die sich nur sehr ungern potenziell gesellschaftliches Spaltmaterial ins eigene Haus holen wollen. Ich verstehe auch, dass Flüchtlinge, die aufgrund von EU-Vereinbarungen nach Slavkov u Brna in der Metropol-Region Jihomoravsky kraj verfrachtet werden, dort eher nicht so gerne bleiben wollen und Richtung Deutschland laufen. Wo sie dann auch nicht unbedingt in Wenigenlupnitz Schutz suchen wollen. Da hätten sie ja gleich zu Hause oder in Moria bleiben können. Mein vollstes Verständnis.
Was ich hingegen nicht verstehe, ist die totale Unfähigkeit einer Organisation für korrekte Gurkenkrümmung, gemeinsam mit den Griechen für klare Verhältnisse zu sorgen. Es kann ja kein Hexenwerk sein, auf irgendeiner der griechischen Inselflecken (es hat immerhin über 3.000 Stück davon) ein menschenwürdiges Flüchtlingslager mit genügend Sicherheitspersonal hinzustellen und direkt vor Ort Asylbegehren zu prüfen und entweder durchzuwinken oder abzulehnen. Ich kann als EU sogar „Asylterminals“ verschiedener EU-Staaten errichten, in denen ein Schutzsuchender sich sein Wunschschutzland heraussuchen kann. Deutschland sollte allerdings ein paar Terminals mehr als die anderen EU-Staaten aufstellen, sonst wird der Andrang zu groß und es gibt wieder Tote und Verletzte.
Wer seine Identität weder durch Dokumente noch durch sonstige Nachweise beweisen kann oder will, muss wissen, dass es für ihn keinen Einlass in die EU gibt. Wurden die ersten 100.000 Unbekannt bleiben Wollenden zurückgeschickt, folgen die nächsten 100.000 nicht nach.
Und ich wette ebenfalls, wenn ich irgendeinem Marokkanien für jeden, dessen Identität oder Staatsangehörigkeit unklar ist, 100.000,- € in die Hand drücke, damit Marokkanien Europa all die Pechvögel abnimmt – nach spätestens einem Jahr würde aus dem Strom angeblicher Kriegsflüchtlinge ein Rinnsal echter und ehrlicher Kriegsflüchtlinge werden, das für jeden europäischen Staat nicht nur verkraftbar, sondern auch für die Bevölkerung des jeweiligen Staates integrierbar wäre. Natürlich müsste sichergestellt werden, dass Marokkanien seine „neuen Staatsbürger“ nicht erneut gegen die europäischen Grenzen schickt, um für ein- und dieselbe Nase mehrfach zu kassieren.
Aber selbst auf Lesbos gibt es Internet. Es kann meiner Ansicht nach nicht allzu schwer sein, eine europäische Einwanderungsdatenbank aufzubauen, die der Identifikation und dem Abgleich unter den unterschiedlichen Grenzposten dient. Wenn das selbst so eine läppische Spieleplattform wie Steam hinbekommt.
Natürlich setze ich mich jetzt dem Vorwurf aus, Menschen einfach in ein anderes Land zu schieben und mich dann nicht mehr darum zu kümmern, was aus jenen Pechvögeln wird. Was an irgendeinem Punkt übrigens legitim wäre. Aber auch hier habe ich ja Kontrollmöglichkeiten. Beispielsweise, indem ich jedem Neu-Marokkanier pro halbjährliche Meldung bei der Deutschen Botschaft seines präferierten Landes meinetwegen 100,- € „Auskunftsgeld“ für 5 Jahre zahle. Melden sich da relativ wenige Ex-Flüchtlinge, dann weiß ich als Deutschland und EU, dass da irgendetwas nicht stimmt und kann nachforschen, ob Marokkanien seine Neubürger nicht einfach gekillt hat. Regierungen kommen ja auf die grausamsten Ideen.
Ich kann als ganz mutige EU sogar Internationale Zonen auf fremden Staatsterritorien einrichten. Entweder gegen Geld oder mit militärischer Gewalt und mit Fährbetrieben sicherstellen, dass sich niemand mehr auf lebensgefährliche Reisen einlassen muss. Ja, ich kann sogar „Fluchtursachen bekämpfen“, indem ich korrupte Regime politisch und/oder militärisch beseitige. Ich könnte sogar eine Art „wohlwollenden Kolonialismus“ betreiben, denn wenn ein Land so reich wie ein westliches Land sein möchte, dann muss es auch die dafür notwendigen sozialen, gesellschaftlichen, finanziellen, bürokratischen und technischen Instrumente und Strukturen schaffen. Die allermeisten afrikanischen Staaten haben bis heute, 60 Jahre nach Ende der Kolonialzeit, bewiesen, dass sie hierzu nicht in der Lage sind. Weil sie gesellschaftlich immer noch viel zu sehr in archaischen oder religiösen Clanstrukturen verharren und sich die jeweils herrschende Clique viel lieber die eigenen Taschen vollmacht, als das Land vorwärts zu bringen. Da darf der Wasserhahn in der Gästetoilette schon einmal gülden sein… Zu Risiken und Nebenwirkungen frage ich meinen Arzt ohne Grenzen oder Volker Seitz.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die hier nur einmal bruchstückhaft anskizzierten Alternativen zu „bringt alle her“ weit weniger kostspielig und trotzdem weit sinnvoller wären, als das würdelose Geschwätz und Geschacher, das die EU insgesamt und Deutschland im Besonderen hier untereinander aufführen. Man lässt niemanden ersaufen – aber eine Rettung darf weder mit einer Unterbringung in einem menschenunwürdigen Dreckloch, noch mit einem Gratis-Reiseticket ins vollalimentierte „gelobte Land“ verbunden sein. Eigentlich ganz einfach. Eigentlich.