Vor einigen Wochen schrieb ich einen kleinen launigen Artikel über ein (über die Ostsee) vor allem bei deutschen Grün*Innen beliebtes Land. Wenn Schweden der Traum eines jeden guten Fahrradfahrklimazeugenbürgers ist – dann ist Tschechien genau das Gegenteil. Ich war dieses Jahr in Beutetschechien, zu Zeiten des „Protektorats“ auch als „Westböhmen“ bekannt. Also nicht in Prag. Prag ist wie Peking: es hat irre viel Chinesen da. Westböhmen und speziell da das berühmt-berüchtigte „Bäderdreieck“ Franzensbad, Marienbad und Karlsbad, ist eine andere Hausnummer. Hier ist der Tscheche noch Tscheche und der Deutsche noch Heimatvertriebener.
Der Tscheche ist ja sozusagen der Erbe der Deutschen, leider musste er das Erbe aufgrund des klebrigen russischen Sozialismus ausschlagen und bis heute sind die Russen nie so ganz gegangen – zumindest nicht in Karlsbad, da den Russen die halbe und wirklich schöne Stadt gehört und russische Oligarchen sich da die architektonischen Filetstückchen geschnappt und wunderschön restauriert haben. Dazu aber später mehr – wenn ich Lust habe. Auf jeden Fall gibt es in den alten Bädern jede Menge Quellen, deren Output überall gleich nach Kupfer schmeckt, aber unterschiedliche Wärmegrade hat. Wer oxidiertes Wasser mag, ist in Karls-, Franzens- und Marienbad gut aufgehoben.
Wenn Schweden der Traum aller grünen Linksabbieger ist, ist Tschechien ihr Albtraum. Ich weiß nicht, wie es in Polen und Ungarn ist – aber die „Buntheit“ in Tschechien reduziert sich in Westböhmen auf deutsche und russische Touristen und bulgarische Kleinhändler, die da ihr Diebesgut zu günstigen Preisen an den Mann und die Frau bringen. Die hübsche neudeutsche Tradition der Shisha-Bars und Dönerbutzen konnten die Südslawen an den Grenzen des Böhmerwaldes bisher erfolgreich abwehren, das exotischste Gericht, dass ich in Karlsbad gesehen habe, waren Froschschenkel, die wohl dem einsamen französischen Pärchen geschuldet waren, das hinter mir am Bankautomaten ebenso um den offiziellen Euro-Wechselkurs wie ich beschissen wurde.
Der Tscheche an sich ist sehr lebensfroh, wenngleich er nicht dringend am Leben hängt. Der tschechische Staat hat seit der „samtenen Revolution“ die meisten Hauptstraßen und Autobahnen saniert und er hat sich auch dazu herabgelassen, ein paar Verkehrsschilder zu montieren, aber das war es dann auch schon. Der tschechische Staat lässt seine Bürger zumindest im Straßenverkehr so ziemlich machen, was sie wollen, da er nach den Sanierungen kein Geld mehr für Radarfallen hatte. Und so gilt zwar de jure, nicht aber de facto eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 90 km/h (außer auf Autobahnen, da sind es sinnloserweise 130 km/h), tschechische Autofahrer interpretieren augenscheinlich Schilder mit einer Zahl als Mindest- und nicht als Höchstgeschwindigkeit und so hetzt der Tscheche durch die böhmische Landschaft völlig ungehindert und wie Sau hindurch. Selbst hartgesottene Italiener bekommen bei den irrwitzigen Überholmanövern vor Kurven, Kuppen und Kreiseln Schnappatmung. Der Tscheche vertraut darauf, dass der entgegenkommende Skoda nicht von einem Tschechen besetzt ist und irgendwie – schlimmstenfalls an den nächsten Alleebaum – ausweichen wird. Fährt der Tscheche hingegen auf die Autobahn, verliert die Raserei ihren Reiz und er fährt stur unter der Höchstgeschwindigkeit. Aber wehe, er biegt dann auf eine Autobahnraststätte ein – da ist er dann wieder da, der tschechische Adrenalinjunkie.
Ich mutmaße, dass die Tschechen deswegen keine deutschen Landaufkäufer mehr wünschen, da diese mit ihrer Oberbelehrungsattitüde dem tschechischen Freiheitsdrang schlicht auf die Nerven gehen würden. Wer je Tschechen über eine rote Fußgängerampel im Vertrauen auf das Ausweichen (nicht Anhalten!) der Autofahrer hat hechten sehen, der versteht, was ich meine.
Leider ist dem Tschechen seine Lebensfreude, die er gerne mit Autos und Alkohol und beidem in Kombination auslebt, nicht anzusehen. Eine fast vokallose Sprache mit jeder Menge ´ und ` und ^ verhindert, dass der Tscheche sich anders als mit herunterhängenden Mundwinkeln verständigen kann, um die Tziczlaûte hervorzubringen, mit dênên er sczisch versczândigcz. Deswegen sieht der Tscheche immer etwas verdrießlich aus, so als hätte er soeben den Haustürschlüsczel in der Wohnung vergesczsen oder am Skôda würde das Motorwarnlämpchen wegen Überhitzung leuchten.
Damit wären wir schon beim Essen. In Tschechien wird alles gegessen, was vier Beine hat und kein Haustier ist, besonders gerne Schwein, Rind, Lamm und Wild. Denen reißt der Tscheche die Beine aus und serviert sie wahlweise mit Kartoffelbrei, Kartoffelklößen und Kartoffelkartoffeln. Dazu gibt es meist eine irre gute Soße, in der heimatliche Früchte wie Pflaumen, Brombeeren oder Äpfel schwimmen. Wer in Tschechien nicht satt wird, wird es nirgendwo und abseits der Tourifallen in Marienbad und Karlsbad gibt es hervorragende Lokalitäten, die zu den Tierbeinen die passenden Biere für weniger Geld als in einer deutschen Pizzeria servieren.
Nach und nach hübscht sich das tschechische Hinterland auf, so dass Tschechien insgesamt sehr idyllisch und wie um die Jahrhundertwende wirkt, da die tschechischen Kommunisten weit weniger Geld als ihre sächselnden Nachbarn hatten. Deswegen stehen auch nicht in jedem Kuhkaff hässliche Plattenbauten sozialistischer Kleinmannssucht, sondern die alten Gebäude und Ortsstrukturen sind noch so intakt wie zu der Zeit, als die deutschen Besitzer ihre Habseligkeiten auf Leiterwagen packten und nach Tirschenreuth flohen. Tatsächlich sind die böhmischen Dörfchen Horte der Gemütlichkeit, nur gelegentlich unterbrochen von einem tschechischen Autofahrer, der mit Hundert über die Dorfstraße brettert. Dann fliegen die Hühner, Enten und Gänse aufgeregt beiseite, um sich in der Staubwolke des Skodas wieder zu versammeln.
Ich gebe zu, ich liebe Tschechien. Die Menschen sind nett, frei, ungezwungen, offen und herzlich und Klimaschutz und Flüchtlinge und Gender und Weh und Ach und das Leid der Welt ihres westlichen Nachbarn sind ihnen scheißegal. Der Staat lässt sie in Ruhe ihren Schaff machen und quatscht nicht andauernd dazwischen. Was gut ist. Denn sofern die tschechischen Eliten keine russischen Panzer zur Hand haben, müssen sie immer damit rechnen, von den Tschechen aus dem Fenster gekippt zu werden. Du kannst den Tschechen mit allem kommen – nur nicht blöd und von oben herab. Ein Tscheche lässt sich nichts vorschreiben. Nicht von Kaisern, Königen, Nazis oder Kommunisten. Ein glückliches Volk, die Tschechen!
Okay, Sie haben es ja nicht anders gewollt. Ab jetzt kriegen Sie lecker Newsletter von mir. Falls Sie das lieber doch nicht wollen - kurze Email genügt.
Verdammt. Irgendetwas ging schief. Daran ist nr die AfD schuld. Bitte nochmal probieren!